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Die Ginerkrippe von Absam

Weihnachtskrippen bringen die Botschaft der Menschwerdung konkret ins Bild. Sie sind ein Stück inkulturierte Inkarnationstheologie und laden zur Betrachtung ein: geschnitzte Mystagogie. Im Folgenden beschrieben anhand einer bekannten Tiroler Krippe.

„Alle Jahre wieder" stehe ich schauend und staunend vor der Bilderwelt der Tiroler Weihnachtskrippen. Sie sind für mich mehr als nur ein faszinierend vielfältiger Ausdruck verschiedener Epochen der Volkskunst. In Tirol lebt der weihnachtliche Brauch des „Krippeleschauens", also des bewussten Besuchens verschiedener Krippen, der von Krippenvereinen, Pfarrgemeinden und Privatpersonen gepflegt wird. Die vielen Besucher, die die Weihnachtskrippen jedes Jahr anziehen, wecken in mir die Frage nach dem theologischen Gehalt und dem Verkündigungscharakter dieser Darstellungen der Weihnachtsbotschaft. Muss die Botschaft des Weihnachtsevangeliums nicht immer wieder verschiedene Festtags- und Alltagskleider menschlicher Lebenswirklichkeit anziehen, damit sie überhaupt „anschaulich" und mit unseren menschlichen Sinnen erfahrbar wird?

Inkulturation der Weihnachtsbotschaft

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sehr mich die bunt bemalten Krippenfiguren in meiner Heimatpfarre als Kind in ihren Bann gezogen haben (ich habe meine Mutter und meine Großmutter immer wieder buchstäblich zum Krippeleschauen „gezogen"). Als dann eines Tages – ich war inzwischen schon im Theologiestudium – eine Gruppe von Frauen bei uns daheim auf die Idee kam, große Krippenfiguren in heimatliche Volkstrachten „einzukleiden", löste das zunächst bei vielen Leuten Erstaunen und Befremden aus. Mir aber hat diese „Inkulturation" der Weihnachtsbotschaft eingeleuchtet.

Zur Geschichte der Weihnachtskrippen

Schon auf spätromanischen Fresken, wie etwa auch auf der Darstellung der Geburt Christi am Altar von Schloss Tirol (um 1370), wird Jesus zum Beispiel im einfachen Stall eines Bauernhauses geboren. Maria badet das Kind in einem Holzschaff. Im Hintergrund verkündet ein Engel einem mit einem Schaffellmantel und Tiroler Hut bekleideten Hirten die frohe Botschaft der Weihnacht.[5] Im späten 16. Jahrhundert entstehen in Tirol die ersten „Kriplen", die zunächst nur aus einem in der Krippe liegenden Jesuskind bestanden, das in einem durch ein Drahtgitter abgesicherten Kasten aufbewahrt und zur Weihnachtszeit in den Kirchen aufgestellt wurde.[6] An der Entstehung und Verbreitung der Weihnachtskrippen waren nach dem Konzil von Trient die Orden der Franziskaner und Kapuziner und vor allem die Jesuiten maßgeblich beteiligt. Die Patres und Brüder versuchten in der Zeit der Gegenreformation den katholischen Glauben des Volkes durch kirchliche Volksschauspiele, durch prachtvolle Gottesdienste und durch die Anschaulichkeit eines bilderreichen religiösen Brauchtums zu stärken.

Die Giner-Krippe von Absam[13]

Ein unbestrittenes Meisterwerk dieser spätbarocken Epoche der Tiroler Krippenkunst ist die von Johann Giner dem Älteren zwischen 1793 – 1796 geschaffene Krippe in der Pfarr- und Wallfahrtskirche von Absam bei Hall in Tirol, die wie kaum eine andere dieser Art auch eine theologische Botschaft vermittelt. Die durchschnittlich 40 cm hohen Figuren in lichter, farbig kühler Ölfarbenfassung strahlen, wie der Krippenforscher Josef Ringler es ausdrückt, einen „feierlichen Ernst und eine spürbare Frömmigkeit" [14] aus. Das Werk zeugt von der Bodenständigkeit seines Schöpfers. Johann Giner stammte aus einer Bauernfamilie in Thaur bei Innsbruck und übernahm dort nach dem Tod seiner Mutter den Hof, den er neben seinen künstlerischen Schaffen bis zu seinem eigenen Tod bewirtschaftete.[15] Das von ihm dargestellte Weihnachtsgeschehen spielt sich in dieser und in anderen Giner-Krippen immer auf zwei Ebenen ab. Auf der höheren Ebene befinden sich die Heilige Familie und die Engel, die aber von ihrem geweihten Platz auf die niedrigere Ebene zu den Hirten hinabsteigen, um sie jeweils ganz persönlich zum göttlichen Kind zu führen. Die Engel sehen zum einen wie Altarengel aus und tragen einen um eine Schulter gelegten Mantel, zum anderen werden sie durch ihre je eigene Mimik und Gestik als einfühlsame individuelle Gesprächspartner der Hirten dargestellt. Die Hirten ihrerseits sind Menschen aus der bäuerlichen Umgebung des Künstlers. Sie tragen die typische Bauernmode ihrer Zeit: geschlitzte, halb- oder dreiviertellange oder an den Knien abgebundene Hosen mit Wadenstrümpfen, Sandalen oder Kurzstiefeln, Lodenröcke, Hemden und Hüte – ihre Arbeits- und Alltagskleider also, nicht ihre Sonntagstracht .[16]

Während es die Hirten in den vielen anderen Krippendarstellungen wie in einer von der Verkündigung der Geburt des Messias ausgelösten Dynamik meist fraglos zum Stall von Bethlehem zieht, erscheinen die Hirten Johann Giners in der Absamer Krippe teilweise geradezu als aufgeklärte moderne Menschen, die mit den Boten vom Himmel in Diskussion treten, um ihnen ihre Skepsis, ihre Zweifel, Fragen und Ängste mitzuteilen. Die Engel lassen sich offensichtlich auf diese je eigene Glaubenssituation von Menschen ein. Jeder Hirte bekommt seinen eigenen Engel an die Seite gestellt. So scheint ein junger, selbstbewusster und noch gar nicht von der Weihnachtsbotschaft überzeugter Hirte von seinem Engel in ein Gespräch verwickelt zu werden, in dem der offensichtlich sehr irdisch gesinnte junge Mann mit einer nach oben weisenden Geste des Engels daran erinnert wird, dass mit der Geburt Jesu sich auch für ihn der Himmel geöffnet hat. Ein anderer Hirte führt seinen kleinen Sohn an der Hand. Beiden weist ihr Begleitengel den Weg zum göttlichen Kind. Besonders beeindruckend ist eine Zweiergruppe, die jedes Jahr ganz im Vordergrund des gesamten Krippenbaus Aufstellung findet: Einem Hirten, dessen Augen, Gesichtsausdruck und Körperhaltung einen ängstlichen Menschen zeigen, der seinen Engel Hilfe suchend anblickt, begegnet dieser mit einem liebevollen und ermutigenden, aber auch entschiedenen Blick. Der Engel schaut dem Mann nicht nur in die Augen. Er fasst ihn auch entschlossen an der Hand und nimmt ihn einfach mit auf den Weg zum Zentrum des Weihnachtsgeschehens.

Mystagogie eigener Art

… bleib ich anbetend stehen

„Ich steh an deiner Krippe hier, o Jesu, du mein Leben", hat der große und tiefsinnige Paul Gerhardt um die Mitte des 17. Jahrhunderts gedichtet. „Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben." Es ist ein Lied voll andächtigen Staunens, mit dem der Dichter sich mit seinem ganzen Leben in dieses Heilsereignis der Geburt des Gottessohnes hineinbegibt. [19] Er weiß, dass er dieses Geheimnis nicht fassen kann. Und doch erfüllt ihn eine tiefe Freude. Er kann sich, wie es in der 4. Strophe zum Ausdruck kommt, an diesem Ereignis der Menschwerdung nicht „satt sehen". Er kommt an eine Grenze: „Und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen." Ein solches staunend-anbetendes Krippeleschauen wird aber vielen von uns (post)modernen Menschen nicht leicht fallen.Krippentheologie ist Inkarnationstheologie. Was viele unserer Weihnachtskrippen auf eine oft naive Weise, die der Lust an fantasievoller Ausschmückung und der Gefahr der Verniedlichung und Verharmlosung des Weihnachtsgeschehens nicht immer entgeht, zum Ausdruck bringen, hat seinen heilsgeschichtlichen Grund in der Menschwerdung des Sohnes Gottes. „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht" (Jo 1,18). Diese Kunde haben nach dem Zeugnis des Lukasevangeliums die Hirten als erste vernommen. Und sie haben sie weiter verkündet. Sie tragen sie weiter bis heute – fragend und staunend. Im „Krippeleschauen" lassen sich Menschen von dieser ursprünglichen Art der Begegnung mit dem Geheimnis der Menschwerdung zum Glauben führen.